Vortrag auf dem Internationalen Bodenseesymposium in Bregenz am 8. Juli 1999.
©  Universität Osnabrück;
Fachbereich Sozialwissenschaften, Roland Czada
 
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Modernisierung des Staates

Die Modernisierung des Staates gilt als ein aktuelles Thema. Wieder einmal. Tatsächlich ist es so alt wie der Staat selbst. Um die Modernisierung von Regierung und Verwaltung ist seit Jahrhunderten immer wieder gestritten worden. Jeder zu seiner Zeit moderne Staat versuchte zu jeder Zeit noch moderner zu werden. Nehmen wir zum Beispiel Preußen und versetzen uns um fast zwei Jahrhunderte zurück in das von der Napoleonischen Herrschaft befreite Berlin.

Wilhelm von Humboldt war gerade Minister für die ständischen und kommunalen Angelegenheiten geworden, als er im Februar 1819 eine großangelegte liberale Modernisierung des preußischen Staates vorschlug. Sein in einer Verfassungsdenkschrift niedergelegtes Konzept verfolgte drei Ziele:
Die Verbesserung der Staatsverwaltung, die Vermehrung des Bürgersinns und die Neugestaltung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Daß der Staat Organisationsreformen und die Professionalisierung seines Verwaltungsstabes anstrebt sowie seine Bürger durch Liberalisierung und weniger staatliche Reglementierung aktivieren möchte, erschien damals als ein neuer, revolutionärer Ansatz.

Die Ähnlichkeit des Zielkatalogs aus dem Jahre 1819 mit den Grundlinien der gegenwärtigen Verwaltungsreformdiskussion ist frappant. Wenn man sich weiter vergegenwärtigt, daß die Humboldt'sche Initiative sehr schnell in der politischen Diskussion aufgerieben und verwässert wurde und schon zwei Jahre später gescheitert war, stellt sich vollends die Frage: Was ist das Neue an der "Modernisierung des Staates", dem Modethema, das unter dem label "New Public Management" seit einem Jahrzehnt vor allem in den OECD-Ländern Furore macht? 
 

 

- I -
 

Das grundlegend Neue der gegenwärtigen Verwaltungsreformdiskussion sind nicht die Ziele und noch nicht einmal alle Instrumente, die zur Zielerreichung eingesetzt werden sollen. Wirklich neu ist, daß die öffentliche Verwaltung heute nicht mehr aus sich selbst heraus die entscheidenden Modernitätsvorstellungen, Reformkonzepte und Lernstrategien entwickelt, sondern ihre Leitbilder aus anderen gesellschaftlichen Bereichen, namentlich der Wirtschaft, übernimmt und - mangels geeigneter Alternativen - übernehmen muß.

Einst galt die bürokratische Organisation des Staates als Modell rationaler Aufgabenerledigung. Noch bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts haben die Angestellten der Wirtschaft ihre Tätigkeit am Vorbild der Beamten ausgerichtet. Verwaltungsdienstleistungen waren im wesentlichen Beamtentätigkeit, gleich ob sie in der öffentlichen Verwaltung oder in "Verwaltungsabteilungen" der Industrie und des Finanzsektors erbracht wurden. Entsprechend sprach man von Staatsbeamten, Fabrikbeamten, Bankbeamten, von denen neben Sachkenntnis in erster Linie Loyalität verlangt wurde. Die Verhältnisse haben sich inzwischen geradezu umgekehrt. Die öffentliche Verwaltung ist dabei, von der privaten Wirtschaft zu lernen.

Heutige Leitbilder entstammen der betriebswirtschaftlichen Management- und Organisationslehre. Regelbindung und Berechenbarkeit gelten nicht mehr - wie in der Bürokratietheorie von Max Weber - als Garanten guter Amtsführung. Vielmehr wird die einst hoch gepriesene formale Rationalität der öffentlichen Verwaltung als Hemmnis effizienter Aufgabenerledigung betrachtet. Das neue Leitbild der öffentlichen Verwaltung zielt auf eine ergebnisorientierte und weniger zentralisierte Aufgabenerfüllung. Es umfaßt die folgenden Punkte:

  1.   Strategische Problemlösungen anstelle bürokratischer, regelgeleiteter Entscheidungen sollen die Effizienz, Effektivität und Qualität öffentlicher Dienstleistungen verbessern.

  2.   Hochzentralisierte, hierarchische Strukturen sollen durch dezentralisierte Managementumgebungen ersetzt werden. Ziel ist das schnelle und flexible, an den Bedürfnissen der Bürger ausgerichtete Verwaltungshandeln.

  3.   Privatwirtschaftliche Alternativen zur öffentlichen Versorgung und Regulierung sollen unter Gesichtspunkten der Kosteneffizienz überprüft und realisiert werden. Der Staat soll nur noch das machen, was Private nicht können. Und dabei soll, wie in einem Unternehmen, die Kernkompetenz soll gestärkt und die Leistungstiefe verringert werden.

  4.   Wer entscheidet, soll auch die Verantwortung für Entscheidungen tragen. Dieses Prinzip soll Initiative und Leistungsbereitschaft im öffentlichen Sektor verbessern.

  5.   Der Wettbewerb innerhalb und zwischen Verwaltungsteilen soll ermöglicht und im Interesse einer kostengünstigeren Leistungserstellung genutzt werden.

  6.   Die strategischen Handlungsspielräume und Informationsgrundlagen der politischen Verwaltungsspitze sollen gestärkt werden, um sachgerecht und nachhaltig auf politische, gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen reagieren zu können.

  7.   Verantwortlichkeit und Transparenz sowie ein sparsamer Umgang mit knappen Ressourcen soll durch Instrumente wie Produktentwicklung, Controlling, Budgetierung und Leistungsrechnung gestärkt werden. Dazu gehören auch umfangreiche Berichtspflichten der operativen Verwaltungsabteilung vor Ort.

  8.   Die Einführungen eines lernfähigen, am Vorbild privater Unternehmen ausgerichteten Managementsystems soll die notwendigen Veränderungen unterstützen.
Die genannten Punkte markieren den Übergang von einem bürokratischen zu einem postbürokratischen Leitbild der öffentlichen Verwaltung. In der über 200-jährigen Geschichte des modernen Verwaltungsstaates waren das – wie immer definierte - öffentliche Interesse, Berechenbarkeit, Kontrolle, Autorität, Befehl und routinemäßige Aufgabenerfüllung zentrale Werte. Sie werden nun ersetzt durch übergeordnete Ziele wie Produktqualität, Problembewältigung, Kundenorientierung, Kostenwahrheit und Wettbewerb. 

Die Ökonomisierung der Staats- und Verwaltungstätigkeit bedeutet eine Revolutionierung herkömmlicher Leitbildeer. Was einst gutes Regieren und ordentliches Verwalten war, gilt heute als großväterlich, altmodisch und fortschrittshemmend.

Den deutschsprachigen Ländern, Deutschland, Österreich und der Schweiz, wird in internationalen Vergleichen oft ein Modernisierungsrückstand angelastet. Tatsächlich hat hier der Einzug von Managementpraktiken in die öffentliche Verwaltung bei weitem noch nicht das Ausmaß erreicht, wie wir es heute in Neuseeland, USA, Schweden oder Finnland beobachten können. In den Verwaltungen dieser Länder wurden die klassischen Organisationsprinzipien weitgehend überwunden und die produzentenorientierte in eine kundenorientierte Struktur umgebaut.

 

- II -

Die dezentrale Ressourcen- und Ergebnisverantwortung ist ein Kernelement des Neuen Steuerungsmodells. Die im alten, bürokratischen Modell angelegte Trennung der Entscheidung über die Verteilung und Verwendung von Mitteln einerseits und die Erbringung und Verantwortung der Leistung andererseits ist von einem der Initiatoren des Neuen Steuerungsmodells in Deutschland, Gerhard Banner, als "organisierte Unverantwortlichkeit" bezeichnet worden. Verwaltungsmodernisierung soll hier Abhilfe schaffen, und zwar dadurch, daß die dezentralen, operativen Verwaltungsabteilungen vor Ort selbständig über die Verwendung der ihnen als Globalhaushalt zugewiesenen Mittel entscheiden dürfen. Dies entspricht dem Vorbild des Holding-Konzerns in der Wirtschaft, dessen Beteiligungsunternehmen nicht durch zentrale Vorgaben und Weisungen, sondern allein über finanzielle Kennzahlen koordiniert und geführt werden.

Die Verwaltung erhält traditionell zur standardisierten Erfüllung bestimmter Aufgaben feste Finanzierungsmittel für Personal, Sachmittel, Reisen etc. bekommen; unabhängig davon wie groß die Nachfrage nach diesen Leistungen war und wie gut oder schlecht diese Leistungen erbracht wurden. Eine Verbesserung des Leistungsangebotes war vielfach gar nicht möglich. Ob es sich um die Ausstellung eines Personalausweises handelt, die Zulassung eines Kraftfahrzeuges, eine Trauungszeremonie vor dem Standesamt, um die Zuteilung einer Grabstätte auf dem städtischen Friedhof oder um die Erteilung einer Baugenehmigung: all dies unterlag einem standardisierten Verwaltungsschema, das Zuständigkeit und Verfahren genau regelte. In mancher Hinsicht hat sich hier bereits viel getan. Manche der genannten Verwaltungsaufgaben werden heute nicht mehr getrennt wahrgenommen, sondern in sogenannten Bürgerbüros oder Bürgerläden zusammengefasst. Wenn zu einer Verwaltung der kurzen Wege noch kundefreundliche Öffnungszeiten hinzukommen, dann ist dies oft der erste Schritt zur modernen Bürgerkommune. Doch dabei bleibt die Reform meistens nicht stehen:

Die Managementorientierung geht einher mit der Vorstellung eines "schlanken Staates". Verschlankung heißt in diesem Zusammenhang, alle Aufgaben, die nicht unbedingt öffentlich verwaltet werden müssen, in den privatwirtschaftlichen Bereich zu verlagern. Die Privatisierung öffentlicher Betriebe und Dienstleistungen - Friedhofsämter, Schlachthöfe, Müllabfuhr, Freibäder – ist in einigen Kommunen schon weit fortgeschritten. Aber es geht noch weiter: Die betriebswirtschaftliche Perspektive kennt offenbar keine Grenze.

Den Charme, aber auch die Problematik einer übertrieben betriebswirtschaftlichen und damit gewinnorientierten Ausrichtung, hat Jörg Bogumil in einem fiktiven Brief einer Stadtverwaltung an ein Brautpaar eingefangen, den ich ihnen in leicht veränderter Form vorlesen möchte. Wir versetzen uns dabei ins Jahr 2010.
 

"Liebes Brautpaar,    

die Vermählungs- und Familienbetreuungsgesellschaft mbh (VFG), ehemals Standesamt, ist in der Lage, Ihnen ein preiswertes und lukratives wie umfassendes Angebot zu machen. So bieten wir als Familien-Kompakt-Paket vier unterschiedliche Versionen der Trauung an - von der schlichten Standard-Trauung "Junges Glück" bis hin zur Luxus Ausführung "Weiß-Gold" mit 120 Mann-Orchester. Die Trauungszeromonie übernehmen in diesem Fall Schauspieler, Sänger oder Sportler nach Ihrer Wahl. Die Standard Ausführung beinhaltet dagegen lediglich eine Blitztrauung durch ehemalige Beamte. Für das leibliche Wohl sorgt die Gesellschaft "Kulinaris pro" (ehemals städtische Kantine). Die Preise entnehmen sie bitte der beiliegenden Liste A.    

Das Familien-Kompakt-Paket schließt ein Angebot für die komplette Planung und Ausführung einer Eigentumsmaßnahme durch unsere Planungs und Bau-Service Gesellschaft (früher Planungs- und Bauamt) ein. Ihr Vorteil: Bei der nach wie vor unumgänglichen Baugenehmigung durch die städtische Baugenehmigungsabteilung des Städtischen Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum wird es bei der Wahl des Kompakt-Paketes keinerlei Probleme geben: Eine Genehmigungs-Garantie ist gegen geringen Aufpreis möglich.    

Selbstverständlich umfaßt das Kompakt Angebot auch ein Rund-Um-Sorglos-Paket der Gesellschaft "safety super" (früher städtisches Versicherungsamt) für alle Lebenslagen wie Kündigung, Scheidung oder Todesfall. Wir empfehlen außerdem den rechtzeitigen Abschluß einer Bildungsversicherung, denn nach der Umwandlung unserer Schulen in die private Beschulungs- und Bil dungsgesellschaft "Pädagogicum GmbH&Co KG" werden seit einigen Jahren leistungsbezogene Gebühren erhoben.   

Selbstverständlich können Sie sich auch in einem persönlichen Gespräch mit speziell ausgebildeten Beratern in unserem Großraum-Beratungsbüro über unsere Angebote informieren. Ehemalige Kommunalpolitiker beraten Sie gegen eine geringe Gebühr.    

Ich hoffe, auch Sie künftig zu unseren Kunden zählen zu dürfen und verbleibe als Ihr    

Sales-Manager, Leiter SDVZ"

 

Das Standesamt als Firma? Warum nicht? Die staatliche Eheschliessung ist noch nicht so alt. In Teilen der österreichischen kuk-Monarchie war noch bis 1919 dafür die Kirche zuständig. Warum sollen nicht auch Privatunternehmen Personenstandsregister, Grundbücher, Einwohner- oder Kfz-Akten führen können? Warum sollen nicht Stadtbüchereien, Stadtarchive, Schulen, Busse und Bahnen privat betrieben werden?

 

- III -

Ich meine, es gibt drei Grenzlinien, an denen die privatwirtschaftliche Ausrichtung enden sollte. Das sind, erstens, hoheitliche Aufgaben, bei denen das staatliche Gewaltmonopol zum Zuge kommt und daher die rechtsstaatliche Bindung und das Recht auf Gleichbehandlung der Bürger einen hohen Stellenwert genießt: Militär und Polizei wären Beispiele für staatliche Kernaufgaben. Eine ganze Reihe weiterer Aufgaben der verbindlichen Konfliktregelung – Lebensmittelkontrolle, Marktregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen wie Finanzmärkten, Massenmedien, Telekommunikation, die Regulierung des Gesundheitswesens – sollten ebenfalls im staatlichen Bereich verbleiben.
 
Die privatwirtschaftliche Organisation findet, zweitens, auch dort ihre Grenzen, wo gesellschaftlich erwünschte Güter – z.B. der freie Zugang zu Bibliotheken und Informationen – aus Kostengründen von Privaten nicht in ausreichendem Maße erbracht werden würden.

Schließlich, last not least, stoßen wir, drittens, auf die Frage nach dem Ausmaß demokratischer Kontrolle. Die Möglichkeiten demokratischer Beteiligung und vor allem der Mitwirkung der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten nehmen mit der Verschlankung des Staates ab. Wenn die öffentlichen Angelegenheiten weniger werden, kann im gleichen Zuge auch die Demokratie weniger werden; das gilt vor allen Dingen für die kommunale Selbstverwaltung.

Wenn die Aufgaben der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung auf private Unternehmen im Wege des Outsourcing, des Kontraktmanagements oder gar des Verkaufs der entsprechenden Infrastruktur ausgelagert werden, kann sich kein Bürger mehr bei seinem Gemeinderat über einen lockeren Kanaldeckel beschweren. Stadt- und Gemeinderäte können dann allenfalls noch die strategischen Weichenstellungen ihrer Verwaltungsspitzen kritisieren; sie tatsächlich zu lenken, wie es guter demokratischer Brauch wäre, ist in einer Welt komplexer ökonomischer Vertragsbeziehungen nur noch eingeschränkt möglich.

 

IV

Die bisherige kommunale Selbstverwaltung war regelgesteuert. Das moderne Kontraktmanagement setzt nun an die Stelle willkürlich gesatzter Regelwerke ein Netz von Verträgen und vertragsähnlichen Vereinbarungen. Was bedeutet dies für die künftigen Normen und Werte des Verwaltungshandelns? Die Tätigkeit der alten Verwaltung fand ihre normativen Grundlagen in Strukturen und Prozeduren, die auf dem Weg konsentierter Selbstbindung entstanden sind. Sie befindet sich insofern in der ideengeschichtlichen Tradition des demokratischen Konstitutionalismus mit ihrem Leitbild der aktiven Bürgerschaft. Das New Public Management verändert diese normativen Grundlagen und mit ihnen die Regelwerke, an denen künftiges Verwaltungshandeln gemessen wird. Wie, in welchem Umfang, in welcher Qualität und von wem kommunale Leistungen erstellt werden, wird zunehmend Gegenstand von Verträgen sein, die der Gemeinderat, die Verwaltungsspitze und die jeweiligen Leistungsträger miteinander aushandeln und abschließen. Sie könnten die Quelle eines neuen Typs der Regelsteuerung durch Verträge werden. Modernisierung des Staates heißt nicht, daß Steuerung durch Marktpreise die demokratisch kontrollierte Hierarchie ersetzten - mithin der Staat als Verkäufer und der Bürger als Kunde auftreten. Vielmehr ist mir hybriden Beteiligungs- und Steuerungsformen zu rechnen, die an der Schnittstelle von Staat und Markt angesiedelt sind und von den Logiken beider Sphären beherrscht sein werden.

Die hybride Natur moderner oder besser gesagt: postmoderner Staatlichkeit kommt in einem erweiterten Rollenkonflikt der Verwaltung zum Ausruck. Ursprünglich als Instrument europäischer Rechtsstaatlichkeit entstanden war die Verwaltung in einer langen Modernisierungswelle vor allem mit dem Wunsch nach demokratischer Kontrolle konfrontiert. Rechtstaatliche Bindung und demokratischer Voluntarismus gerieten so in ein Spannungsverhältnis. Wenn nun zu der rechtsstaatlichen und demokratischen Handlungslogik eine weitere, die betriebswirtschaftliche, hinzutritt, werden die Verhältnisse noch komplizierter. Die Normen des bürokratischen Rechtsstaats, der politischen Demokratie und des ökonomischen Marktes finden sich nun im Widerstreit (Tabelle I).
 

Tabelle 1: Der Normenkonflikt in der öffentlichen Verwaltung
 
Leitbild
 
Verwaltungsmerkmale
Rechtsstaat
Politik / Demokratie
Markt
Orientierung an:
Recht / Regeln
Interessen / Stimmen
Ressourcen / Leistungen
Zielkriterien
Rechtssicherheit
Repräsentativität
Effizienz
Rolle der Bürger
Individuelles Subjekt
Wähler, Mitglied,
Kunde
Verwaltungsziel
Unabhängigkeit
Responsivität
Leistungskraft
Organisationstyp
Staat / Bürokratie
Partei, Verband,
Freiw. Assoziation
Firma
Beamtenrolle
Jurist
Ombudsmann, Vermittler
Ökonom, Manager
   

Die Politik- und Verwaltungsforschung hat die Modernisierung des Staates bisher nicht unter Aspekten von Normenwandel und Normenkonflikten untersucht. Überhaupt erscheint die Aufmerksamkeit für entwicklungsgeschichtliche Analysen von Strukturen und Handlungsmustern der Verwaltung, wie sie Ellwein, Wollmann, Lehmbruch oder Wunder vorlegten, in der Reformdiskussion merkwürdig vernachlässigt.

Der historische Kampf um die Liberalisierung und Demokratisierung der absolutistischen Verwaltungsstaaten hat die Verwaltung mit dem Konflikt zwischen Regelbindung und politischer Responsivität konfrontiert. Die Austragung dieses Normenkonfliktes kann bereits als eine wesentliche Schutzvorrichtung gegen Bürokratie und Formalismus betrachtet werden. Eine Effizienzsteigerung wird allerdings von diesem klassischen Normenkonflikt kaum ausgehen. Die Herausbildung und spätere Demokratisierung des bürokratische Ordnungsstaat sollten vor allem die gesellschaftliche Konfliktregelung verbessern. Sie dienten nicht in erster Linie dem Anliegen, Sachprobleme effizient zu lösen. Dies ändert sich nun, wenn das betriebswirtschaftliche Kalkül als Maxime insbesondere der kommunalen öffentlichen Aufgabenerfüllung und Daseinsvorsorge hinzutritt. Wie sich dieses Kalkül mit der herkömlichen Orientierung am Recht und am Demokratieprinzip vertragen wird, ist noch offen. Sicher ist nur, daß neue, betriebswirtschaftliche Steuerungsmodelle künftiges Verwaltungshandeln nicht einfacher und leichter machen, solange die Grundfrage ungeklärt bleibt, an welchem normativem Leitbild sich der öffentliche Dienst künftig orientieren soll. Dies ist im übrigen ein weiterer großer Unterschied der gegenwärtigen Reformdiskussion zu ihren Vorläufern: Das Neue Steuerungsmodell formuliert und vermittelt keine Idee mehr, welches Staats- und Gesellschaftsbild ihm zugrundeliegt. Vor allem aus diesem Grund - wegen seiner staatshtheoretischen Leere - erscheint es vielen als Stückwerk ohne wirklichen Kerngehalt.